Exit: Raus aus der dunklen Ecke

Viele Initiativen, Bildungsträger, antirassistische und antifaschistische Gruppen bekennen sich bereits zum Grundsatz: Keine Kooperation mit Geheimdiensten wie dem sogenannten „Verfassungsschutz“. Es gibt aber nach wie vor große Stiftungen wie die Amadeu Antonio Stiftung, die mit den Diensten zusammenarbeiten. Gemeinsam mit der Initiative „Keupstraße ist überall“ (Köln), der Initiative 6. April (Kassel), der Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektas (Berlin), der Humanistischen Union (Berlin) der Agentur für soziale Perspektiven e.V. (Berlin), dem Forum für kritische Rechtsextremismusforschung und der Gruppe „Extrem daneben“ (Göttingen) wollen wir diese beim Einstieg in den Ausstieg unterstützen. Ein kurzer Film und ein offener Brief an die Stiftung erklären warum.

Anmerkung: Die Amadeu-Antonio-Stiftung war in den letzten Tagen in besonderem Maße Häme und Verunglimpfungen ausgesetzt, die wir uns explizit nicht zu eigen machen. Wir schätzen die Arbeit der Stiftung und verstehen diesen Text als ernste und solidarische Kritik.

Offener Brief

Liebe Freundinnen und Freunde bei der Amadeu Antonio-Stiftung,

wir schätzen Euer langjähriges Engagement gegen Rassismus und Antisemitismus. Die derzeitige Konjunktur rassistischer Gewalt und rassistischer Alltagsdiskurse macht antirassistisches Handeln aus der Zivilgesellschaft nötiger denn je. Die Selbstenttarnung des NSU hat darüber hinaus eine erschreckende Beteiligung der Inlandsgeheimdienste beim Aufbau von Nazistrukturen sichtbar gemacht. V-Personen wurden vor Strafverfolgung geschützt, Opfer rassistischer Gewalt müssen bis heute mit dem Wissen leben, dass ihre Peiniger Spitzelhonorare vom Staat erhielten und dass diese z.T. für den Aufbau von Nazistrukturen verwandt wurden. Im NSU-Komplex behindern die Dienste durch Aktenvernichtung und Sperrvermerke bis heute die nötige Aufklärung. Auch hier bedarf es der Intervention einer kritischen Zivilgesellschaft.

Wir, als Initiativen die sich mit dem NSU-Komplex befassen und z.T. seit Jahren mit den Angehörigen und Opfern des NSU-Terror eng zusammenarbeiten, finden eine Zusammenarbeit mit Geheimdiensten nicht vereinbar mit der Arbeit gegen Rassismus und Antisemitismus. Wir fordern Euch deshalb auf, diese Zusammenarbeit zu beenden.

Diese Zusammenarbeit betraf in der Vergangenheit:

  • Die Mitgliedschaft des Präsidenten des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz im Stiftungsrat der Amadeu-Antonio-Stiftung[1],
  • die Teilnahme der Vorsitzenden der AAS am Symposium der ostdeutschen Verfassungsschutzämter,[2]
  • Treffen der Vorsitzenden der AAS  mit dem Präsident des „Bundesamtes für Verfassungsschutz“,[3]
  • die Einladung von Verfassungsschützern als Redner bei Veranstaltungen zum Thema „Rechtsextremismus;[4]
  • Treffen von MitarbeiterInnen der Stiftung mit MitarbeiterInnen des Geheimdienstes und den Austausch über Recherchemethoden.[5]

Gegenwärtig beobachten wir eine Anbiederung des VS an zivilgesellschaftliche Gruppen, die sich kritisch mit Rassismus und Nazi-Terror auseinandersetzen. Wir verstehen das als Teil einer Strategie der Imagepflege nach dem NSU-Skandal mit dem Ziel eine breitere gesellschaftliche Legitimation zu organisieren. Sie trägt dazu bei die geheimdienstliche Praxis des Aufbaus, der Radikalisierung und der Absicherung von rechten Strukturen fortzuführen, aus denen heraus rassistische Verbrechen geplant und durchgeführt werden. Damit sollten wir uns nicht gemein machen.

Besondere Brisanz bekommt die Zusammenarbeit der AAS mit Geheimdiensten durch die Tatsache, dass die AAS die Trägerschaft der neu eingerichteten „Dokumentationsstelle für Menschenrechte, Grundrechte und Demokratie“ in Thüringen übernommen hat. Wir begrüßen die Einrichtung der Stelle und die Übernahme der Trägerschaft durch die AAS. Die Stelle ist als Konsequenz aus den Erkenntnissen der NSU-Untersuchungsausschüsse gedacht[6] und war zunächst von der Thüringer Zivilgesellschaft als Alternative zum Verfassungsschutz nach dessen Auflösung gefordert worden.[7] Gerade weil letzteres nicht erreicht wurde, ist es umso wichtiger, dass Zivilgesellschaft Abstand von den Geheimdiensten hält.

Wir bitten Euch daher, dem Beispiel anderer Verbände zu folgen[8] und folgende Selbstverpflichtung umzusetzen:

  • Keine haupt- oder nebenamtlichen MitarbeiterInnen des Inlandsgeheimdienstes „Verfassungsschutz“ in eigenen Gremien, insbesondere Vorständen und Beiräte aufzunehmen;
  • nicht mit haupt- oder nebenamtlichen Mitarbeitenden des Inlandsgeheimdienstes „Verfassungsschutz“ zusammenzuarbeiten, es sei den nach einer Karenzzeit von mindestens fünf Jahren und nach einem glaubhaften Bruch mit der Institution;
  • keine GeheimdienstmitarbeiterInnen als „ExpertInnen“ zu den Themen Rechtsextremismus, Antisemitismus und Rassismus einzuladen.
  • keine Informationen mit dem Inlandsgeheimdienst auszutauschen, weiterzugeben oder entgegenzunehmen.

Wir wissen, wie wichtig Vernetzung mit allen relevanten Akteuren ist. Dennoch: Geheimdienste können im Kampf gegen Rassismus, völkische Ideologie und Antisemitismus nicht erst seit der Selbstenttarnung des NSU keine Partner sein.

In diesem Sinne freuen wir uns auf Antwort und Stellungnahme.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Kampagne „Blackbox Verfassungsschutz“ (Berlin)

Initiative „Keupstraße ist überall“ (Köln)

Initiative 6. April (Kassel)

Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektas (Berlin)

Agentur für soziale Perspektiven e.V. (Berlin)

Initiative „Extrem daneben“ (Göttingen)

Forum für kritische Rechtsextremismusforschung

 

Weitere UnterstützerInnen:

Bündnis gegen Rassismus (Berlin)

Ulrich Töpfer, (Bündnis für Demokratie und Toleranz Meiningen, Bund Evangelischer Jugend in Mitteldeutschland)

Johannes Borda Aquino (AStA TU Berlin)

Martin Rieth (Deutsche Liga für Menschenrechte, Göttingen)

Barbara Müller (DFG/VK, Eckernförde)

Jonas Hünten (Linksjugend [’solid])

Mathias Roth (Freier Journalist/ Bildungsreferent zum Thema extreme Rechte,

Regensburg)

Lars Klinkhammer (Supporter AZ, Leverkusen)

Manuel Koch (Gotha)

Michael Thiel (Hamburg)

Daniel Pallasch (Berlin)

Jörg Schmidt (Frankfurt am Main)

Lina Wunderwald (Berlin)

Lukas Hoffmann (Berlin)

Laura Behrens (Berlin)

Claudia Krieg (Berlin)

Philipp Sondermann (Berlin)

Robert Norpoth

Hilmar Lang

Julia Z. (Berlin)

 

Fußnoten:

[1] http://www.amadeu-antonio-stiftung.de/wir-ueber-uns/gremien

[2] http://www.thueringen.de/th3/verfassungsschutz/praevention_oeffentlichkeitsarbeit/veranstaltungen/Berlin/

[3] http://www.deutschlandfunk.de/verfassungsschutz-raus-aus-der-dunklen-grauen-ecke.724.de.html?dram:article_id=290115

[4] http://www.thueringer-allgemeine.de/web/zgt/politik/detail/-/specific/Thueringer-Verfassungsschutzchef-durfte-Grusswort-nicht-halten-894564356

[5] Ebda.

[6] http://www.die-linke-thl.de/nc/presse/pressemitteilungen/detail/artikel/dokumentationsstelle-fuer-menschenrechte-grundrechte-und-demokratie-als-konsequenz-aus-nsu-un/

[7] http://www.tlz.de/web/zgt/politik/detail/-/specific/Buergerbuendnisse-wollen-nicht-mit-Verfassungsschutz-arbeiten-46990135

[8] So schließt z.B. die DGB-Jugend jegliche Bildungsarbeit mit dem Verfassungsschutz aus, http://jugend.dgb.de/dgb_jugend/ueber-uns/wer-wir-sind/bundesjugendausschuss/beschluesse/++co++f82332ae-a5b0-11e2-9e46-525400808b5c

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